23. April 2017

Über Freiheit und leere Parkplätze


"Wir sind aufgewachsen in einem Meer von Berufen,
deshalb wünsch ich uns von Herzen, dass wir finden, wonach wir suchen." - Sarah Eckardt

Selbstverwirklichung (oder auch "First-World-Problem") - die Idee, die uns in der modernen Zeit mitgegeben wird und die uns sowohl frei machen, als auch fesseln kann.
Nie war die Frage darüber was wir sind, sein und werden wollen so präsent wie heute. Allein die Berufsbezeichnungen und Studiengänge, die du machen kannst, wenn du dich für Mathematik interessierst, sind unüberschaubar.
Und immer wirst du dich fragen, ob nicht ein anderer Studiengang besser zu dir gepasst hätte. Die Frage danach, wann es genug ist, sich über Berufe und Möglichkeiten zu informieren, scheint unbeantwortbar.
Und alles was wir wollen, ist doch nur, sich am Ende nicht fragen zu müssen, ob man hätte noch mehr sein können. Ob man es hätte noch besser machen können.
Der unersättliche Drang und Wunsch danach, unbedingt alles herausgeholt zu haben, wo wir doch (und gerade weil wir doch) so viele Möglichkeiten haben, wir alles sein können, alles möglich ist, kann in die endlose Leere führen, in der man vor Allem und wieder vor Nichts steht.

Was will ich sein und wann habe ich mich genug selbstverwirklicht - wann sind wir mit dem, was wir machen und sind wirklich zufrieden und wann kommen wir nach dem langen Weg des Bachelors und Masters, endlich an?

Manchmal stelle ich mir die Frage wie viele Möglichkeiten der Mensch braucht.
Und ich denke, dass zu viele Möglichkeiten uns einschränken, und uns die dargebotene Freiheit erdrückt, statt befreit.
Oft fahre ich auf einen fast leeren Parkplatz und es fällt mir schwer mich zu entscheiden welchen ich nehmen soll. Oft parke ich sogar nochmal um, weil mir ein Anderer kürzer zum Eingang erscheint. Wenn es jedoch nur einen einzigen freien Parkplatz gibt, danke ich Gott und quetsche heldenhaft triumphierend mein Auto in die Lücke.

Dass diese Analogie die Möglichkeiten, die wir heute haben, wenn es darum geht zu entscheiden wer wir sein wollen, negativ erleuchten lässt, ist mir nicht entgangen und deshalb möchte ich betonen, dass ich nicht finde, dass viele Möglichkeiten ohne Ausnahme schlecht sind, aber zweifellos der Grund, warum ich denke, dass sich viele Menschen in ihnen verlieren.

Ich möchte nicht sagen, dass es nur eine einzige Möglichkeit braucht, um nicht im Sumpf derselben zu versinken, aber ich glaube, dass manche Menschen für zu viele Möglichkeiten nicht gemacht sind.
Ich denke es ist einfach zu sagen was ich sein will, wenn es etwas gibt, das mich in meinem ganzen Leben bereits begleitet hat - etwas, in dem ich schon immer gut war - etwas, wofür ich gemacht bin.
Und im besten Fall, was jedoch auch nicht immer gelingt, kann ich genau das dann zu meinem Beruf machen.

Aber es ist nichts Verwerfliches, wenn es das eben nicht gibt - jedoch ist dann die Frage danach, was man sein will, unerträglich. Man könnte alles und nichts sein. Und weil die Menschen so viel von Selbstverwirklichung sprechen, wird es für junge Menschen zum Zwang, etwas zu finden wofür sie gemacht sind.
Denn jeder will sich doch sicher sein, das möglichst "richtigste" für sich ausgesucht zu haben.
Es sind die Menschen die an der Freiheit scheitern, weil sie im Meer der Möglichkeiten die Orientierung verlieren.

Ich weiß nicht, ob es die perfekte Lösung für dieses Problem der Möglichkeiten gibt. Ich glaube es gibt genauso viele Lösungen wie es Studiengänge gibt. Aber ich glaube, dass Ausprobieren immer eine gute Wahl ist. Sich einfach hineinzustürzen.
Ich denke nicht, dass man die Antwort darauf, was man sein will, an fernen Orten findet. Ich denke, dass sie entweder immer schon in uns war, oder durch Ausprobieren erst gefunden werden muss.
Ich denke nicht, dass jeder Mensch eine Berufung hat, aber ich denke, dass jeder Mensch etwas finden kann, das er zu Seinem macht.
Ich weiß, dass viele Menschen, trotz Berufung, nicht das sein können, was sie sein wollen und ich weiß, dass es absolut ins Leere führt zwanghaft etwas finden zu wollen, das einer Berufung gleicht, wenn man keine hat.
Aber ich weiß genauso gut, dass das niemals eine Schande ist, keine zu haben. Und ich denke, dass es ein Privileg ist, mit den kleinen Dingen des Lebens zufrieden sein zu können. Ich denke, dass der Schlüssel generell darin liegt: Egal was du bist oder nicht bist - du musst versuchen trotz der lauten Stimmen da draußen, die immer alles besser wissen, zufrieden sein zu können mit dem was du bist und mit dem was du hast - Weil du genug bist, weil wir genug sind.

Und wenn man mich fragen würde, würde ich sagen, dass ich glaube, dass das Problem darin liegt, dass viele Menschen ihren Beruf als eine Art Kompromiss auswählen.
Jeder will glücklich sein, später gute Berufschancen haben, sich selbstverwirklichen, nicht zu viel arbeiten müssen und möglichst viel Geld nach Hause bringen.
Jeder legt seine Priorität auf etwas Anderes. Ich möchte nicht über das Zufriedensein der Menschen urteilen und kann hier nicht aus eigener Erfahrung sprechen und ich möchte nicht den Hippie-Lebenskünstler raushängen lassen, weil ich weiß welchen Rang Geld in diesem Leben hat.
Aber ich galube, wer seine Priorität ausschließlich auf das mit den guten Berufschancen legt, wundert sich oft über das fehlende Glücklichsein.

Der Mythos über "den perfekten Studiengang" ist eine Lüge und ich denke, dass man, sobald man sich darauf einlässt, man Lust und Motivation hat, sich für einen entscheiden kann mit dem man letztendlich glücklich wird, indem man aufhört nach mehr zu fragen, nach etwas Anderem zu fragen.
In dem man sagt: Das will ich, das kann ich, das mach ich jetzt, egal was Google sagt wenn ich "Studiengang Berufschanchen" eingebe. Ich denke man muss lernen zu vergessen was "man" darüber sagt. Denn wem nützt es einen Studiengang oder einen Beruf zu wählen den man am Ende des Tages nicht lieben kann?


Es wird viel Schlechtes über das Interessenstudium erzählt, aber ich glaube mit meinem ganzen Herzen daran, dass die Glücklichen am Ende die sein werden, die ihren Interessen gefolgt sind, statt den Stimmen der Gesellschaft.





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